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Medizin

In Deutschland leben schätzungsweise 15.000 Menschen, die als Kind mit einer Ösophagusatresie geboren wurden. Etwa 10.000 davon sind älter als 18 Jahre. Viele dieser Betroffenen leben ohne größere Einschränkungen. Speiseröhre und Luftröhre bleiben bei diesen Menschen jedoch grundsätzlich Schwachstellen des Organismus.

Ein nicht unerheblicher Teil der Betroffenen leidet aber zumindest zweitweise oder immer wieder unter Langzeitfolgen der Ösophagusatresie oder der damals erfahrenen Behandlung. Folgeerkrankungen können sehr lange symptomarm oder still verlaufen und sie treten manchmal in anderen Organsystemen als dem oberen Verdauungstrakt auf. Deshalb werden sie auch nicht von den Betroffenen und ihren Ärzten mit der ursprünglichen Schädigung der Ösophagusatresie in Zusammenhang gebracht. Häufig werden sie erst erkannt, wenn irreversible Schäden mit deutlichen Symptomen aufgetreten sind. Das verleiht dem Thema der regelmäßigen Nachsorge gerade auch bei Erwachsenen eine besondere Bedeutung.


Ösophagusatresie

 

Die Ösophagusatresie ist eine typische Fehlbildung bei Neugeborenen. Da die Erkrankung häufig mit anderen Fehlbildungen zusammen auftritt, sind oft außer Kinderchirurgen und Neonatologen auch Kinderkardiologen, Kinderherzchirurgen, Nephrologen, Neuropädiater, Pneumologen, HNO-Ärzte, Orthopäden und die Sozialpädiatrie in die Behandlung eines einzigen Kindes involviert. Diese Interdisziplinarität ist ganz typisch für dieses Krankheitsbild, und dieser Komplexität sollte insofern Rechnung getragen werden, als Kinder mit dieser Krankheit nur in Zentren behandelt werden können, die diese Kompetenz vorhalten können.

 

Ösophagus-Atresie und tracheo-ösophageale Fistel 

Die Ösophagusatresie ist als angeborene Fehlbildung seit dem 17. Jahrhundert bekannt. Sie ist eine verhältnismäßig häufige Fehlbildung. Sie kommt je nach Autor bei etwa einer von 2500 bzw. 4000 Geburten vor. Das bedeutet, jedes Jahr werden in  Deutschland zwischen 200 und 250 Kinder mit einer Ösophagusatresie geboren.

Ihre Ursachen sind nicht bekannt. Es gibt keine Häufung bei einem bestimmten Geschlecht oder einer Bevölkerungsgruppe.

Erst im 20. Jahrhundert wurden Methoden zur erfolgreichen Behandlung entwickelt. Ursprünglich betrug die Sterblichkeitsrate praktisch 100%, heute muss kein Kind mehr wegen der Ösophagusatresie allein sterben. Die Behandlung der Ösophagusatresie stellt aber höchste Ansprüche an den Chirurgen und das in der Folge versorgende ärztliche, pflegerische und therapeutische Team.

Die Mehrzahl dieser Kinder kann keinem Fehlbildungs-Syndrom zugerechnet werden. Die Fehlbildung gilt als nicht vererblich. Sie findet sich aber häufig in Zusammenhang mit einem VACTERL-Syndrom (Syndrom bei dem Fehlbildungen im Bereich der Wirbelkörper (vertebrae=V), des Anus (A), des kardialen Gefäßbaumes (cardiovascular tree=C), der Luftröhre (trachea =T), der Speiseröhre (esophagus=E), des Nierensystems (renal system=R) und der Gliedmaßen (limb=L) zusammentreffen).

Die Ösophagus-Atresie selbst kann in unterschiedlichen Formen auftreten. Die häufigste Form ist jedoch mit etwa 85% die Form bei der der untere Stumpf der Speiseröhre eine Verbindung zur Luftröhre hat (Ösophagus-Atresie mit distaler tracheo-ösophagealer Fistel). Zur Beschreibung der unterschiedlichen Formen der Ösophagusatresie werden verschiedene Klassifikationen benutzt. Die Beschreibung der Ösophagusatresie in anatomischen Begriffen ist dabei die unmissverständlichste. In Deutschland wird häufig die Klassifikation nach Vogt genutzt. Im Ausland, insbesondere im anglo-amerikanischen Bereich die Klassifikation nach Gross. 

 

Chirurgische Therapie

Die Haupt-Ziele der Korrektur sind es, eine eventuell bestehende Fistel zu verschließen und zu durchtrennen sowie im Anschluss die beiden bestehenden Stümpfe der Speiseröhre direkt zu verbinden (End-zu-End-Anastomose). Das kann entweder durch Öffnung des Thorax oder als Thorakoskopie durchgeführt werden. Die Letztere stellt hohe Anforderungen an die chirurgische Ausrüstung und das Team und erfordert eine ausgeprägte Erfahrung bei der Durchführung minimal-invasiver Operations-Prozeduren bei Neugeborenen.

 

Falls sich während der Operation herausstellt, dass eine Korrektur im ersten Anlauf nicht anzuraten ist, ist es ein gangbarerer Weg die Fistel nach Verschluss zu belassen, eine Gastrostomie anzulegen und eine spätere stufenweise Korrektur zu planen.

Der Schwierigkeitsgrad der Operation steht dabei in direktem Verhältnis zum Ausmaß der Lücke (gap). Was dabei als long-gap (lange Lücke) im Gegensatz zum short-gap (kurze Lücke) betrachtet wird, ist im Augenblick noch eine subjektive Entscheidung des Operateurs.

Das tatsächliche Ausmaß des Abstands der beiden Stümpfe der Speiseröhre wird im Vorfeld der Operation häufig unterschätzt. Deshalb ist es wichtig, die Eltern vor dem  Eingriff darüber aufzuklären, dass eine angemessene Einschätzung der Lücke erst beim chirurgischen Eingriff vorgenommen werden kann.

In den Fällen bei denen beide Enden nicht sicher ohne einen hohen Zug zusammengebracht werden können, ist ein stufenweises Vorgehen angebracht.

Durch die Anlage einer Gastrostomie kann dann die orale Ernährung während der Behandlung gesichert werden.

 

Postoperatives Management

Im Zusammenhang mit dem fast immer auftretenden gastro-ösophagealen Reflux wird unmittelbar mit einer säureblockenden Therapie begonnen. 

Der Beginn der Ernährung über den Mund wird verschoben bis eine Kontrast-Darstellung (Breischluck) der Speiseröhre die Dichtigkeit und Haltbarkeit der Anastomose bestätigt. Es gibt keinen optimalen Zeitpunkt für die Durchführung der Kontrast-Darstellung der Speiseröhre. Manche Autoren empfehlen sie zwischen dem fünften und siebten postoperativen Tag.

Sobald die Kontrast-Darstellung ein Leck ausschließt wird mit der Nahrungsgabe über den Mund begonnen. 

Klassifikation

Gross[2]

Vogt [3]

Ladd[4]

Name

Beschreibung

Häufigkeit[1]

-

Typ 1

-

Ösophageale Agenesie

Sehr seltene vollständige Abwesenheit des Ösophagus, nicht beinhaltet bei Gross oder Ladd

N/A

Typ A

Typ 2

I

"Long Gap", “Reine” oder “Isolierte” Ösophagus-Atresie

Charakterisiert von der Anwesenheit eines “gap” zwischen den zwei ösophagealen blinden Pouches ohne Fistel

7%

Typ B

Typ 3A

II

Ösophagus-Atresie mit proximaler TEF (tracheoösophageale Fistel)

Der obere ösophageale pouch hat eine abnormale Verbindung zur Trachea. Der untere ösophageale Pouch endet blind.

1%

Typ C

Typ 3B

III, IV

Ösophagus-Atresie mit distaler TEF (tracheoösophageale Fistel)

Der untere ösophageale pouch hat eine abnormale Verbindung zur Trachea. Der obere ösophageale Pouch endet blind.

86%

Typ D

Typ 3C

V

Ösophagus-Atresie mit beiden proximaler und distaler TEF (zwei tracheoösophageale Fisteln)

Der obere und der unter ösphageale Pouch haben eine abnormale Verbindung mit der Trachea an zwei unterschiedlichen, voneinander isolierten Stellen.

2%

Typ E

Typ 4

-

TEF (tracheoösophageale Fistel) ONLY ohne Ösophagus-Atresie, H-Type

Der Ösophagus ist voll intakt und erfüllt seine normalen Funktionen, jedoch gibt es eine abnormale Verbindung zwischen Ösophagus und Trachea. Nicht beinhaltet in der Klassifikation von Ladd.

4%

Type F

-

-

Angeborene ösophageale Stenose [5]

Eine angeborene Form der Ösophagus-Stenose. Der Ösophagus ist voll intakt und mit dem Magen verbunden, der Ösophagus verengt sich im Verlauf, was ein „Steckenbleiben“ von Essen und Speichel im Ösophagus verursacht. Manchmal wird dieser Typ bis zum Erwachsenenalter nicht diagnostiziert. Nicht beinhaltet in der Klassifikation von Vogt oder Ladd.

N/A

 

  1. Spitz, L. (2007). "Oesophageal atresia". Orphanet Journal of Rare Diseases 2: 24.
  2. Gross, RE. The surgery of infancy and childhood. Philadelphia, WB Saunders; 1953.
  3. Vogt EC (1929). "Congenital esophageal atresia". Am J of Roentgenol 22: 463–465.
  4. Ladd WE (1944). "The surgical treatment of esophageal atresia and tracheoesophageal fistulas". N Engl J Med 230: 625–637.
  5. Serrao, E.; Santos, A.; Gaivao, A.; Tavares, A.; Ferreira, S. (2010). "Congenital esophageal stenosis: A rare case of dysphagia". Journal of Radiology Case Reports 4 (6): 8–14.

Mögliche Komplikationen

Lecke und Verengungen (Strikturen, Stenosen) machen die Mehrheit der Komplikationen der chirurgischen Korrektur aus. Sie treten häufiger nach der Korrektur einer Long-Gap-Fehlbildung auf (etwa in 20% der Fälle).

Lecke

Die meisten Lecke sind begrenzt und lassen sich ohne Operation behandeln. Größere Lecke sind selten und benötigen in der Regel eine operative Intervention nach einem Zeitraum der Drainage des Mediastinums (Mittelfellraum) und der Gabe von Antibiotika.

Stenosen

Die Ausbildung einer Stenose kommt grob bei 30% der Patienten im Anastomosenbereich vor. Die Häufigkeit dieser Komplikation steht in Zusammenhang mit der ursprünglichen Ausprägung der Ösophagusatresie. Bei einem großen Abstand zwischen den Stümpfen treten Stenosen im Bereich der operativen Verbindungsstelle (Anastomose) sehr häufig auf. Die Verbindung der Stümpfe erfordert eine ausgiebige Mobilisation und häufig eine Verbindung unter Spannung.

Der Einsatz von Bougies, Maloney- und Ballon-Kathetern sind mögliche Optionen für die Aufweitung von Engstellen (Stenosen/Strikturen), wenn diese angezeigt ist. Dabei ist es absolut empfehlenswert die Aufweitung in kleinen Schritten durchzuführen, um einen Riss (Ruptur) der Anastomose zu vermeiden. Die Aufdehnung von Stenosen darf nur unter Vollnarkose erfolgen.

Zusätzlich kommen zur Behandlung von Engstellen Cortison und Mitomycin sowie das Einsetzen eines Stents zum Einsatz. Der Nutzen dieser neuen Therapiemöglichkeiten ist im Augenblick noch nicht vollständig beurteilbar. Teilweise sind sie bei Medizinern umstritten.

Sehr selten muss bei einer Engstelle die Resektion der Stenose mit einer erneuten Anastomose durchgeführt werden. Es handelt sich dabei immer um einen schwierigen Eingriff. 

Rezidiv-Fistel

Es kann auch zur Ausbildung einer Rezidivfistel kommen. Diese macht sich klinisch bemerkbar. Die Symptome sind aber nicht immer einfach zu deuten. Deshalb wird sie auch manchmal als Nebenbefund einer anderen Untersuchung festgestellt.

Tracheomalazie

Bei einem nicht unwesentlichen Teil der von einer Ösophagusatresie betroffenen Kinder tritt zusätzlich eine Tracheomalazie (Erweichung der Knorpelspangen der Trachea) auf. Sie erfordert selten einen operativen Eingriff, wie z.B. eine Aortopexie. Bei einer Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit oder häufig auftretenden bronchialen Infekten sollte das Kind regelmäßig einem erfahrenen Kinderpneumologen zur Kontrolle und zum Infektionsmanagement vorgestellt werden.

Langzeitfolgen

Langzeitkomplikationen beinhalten Dysmotilität (eingeschränkte Beweglichkeit) der Speiseröhre und gastro-ösophagealen Reflux (Rückfluß von Mageninhalt). Dies sind sehr verbreitete Befunde bei Kindern, die mit einer Ösophagusatresie geboren wurden. Ihre Behandlung erfordert ein multi-disziplinäres Team, das einen Gastroenterologen, einen Pneumologen, einen HNO-Arzt, genauso wie Sprach – und Schlucktherapeuten beinhaltet.

Die Nachsorge beinhaltet regelmäßige Ösophagogastroskopien und Kontrastmitteluntersuchungen. Bei entsprechenden Begleiterkrankungen auch Tests der Lungenfunktion sowie Untersuchungen die über Art und Ausmaß eines Refluxes oder die motorische Funktion der Speiseröhre Aufschluss geben. 

Spezielle Überlegungen in Bezug auf Long-Gap-Ösophagusatresie

Das Kind erhält eine Gastrotomie zur Sicherung der Ernährung. Der obere Blindsack wird mit einer Schlürfsonde kontinuierlich abgesaugt.

In den ersten Monaten können die beiden Stümpfe noch spontan aufeinander zuwachsen. Damit verringert sich das Ausmaß der Lücke und ermöglicht danach eventuell eine direkte Anastomose. Diese Zeit kann abgewartet werden.

 

Es werden verschiedene Methoden von der Dehnung der Blindsäcke bis zum Ösophagusersatz beschrieben.

Während der Wachstumszeit kann versucht werden die Stümpfe mit Bougierstäben in Narkose zu dehnen. Die Gefahr von Perforationen ist aber hoch.

Spiralig gesetzte Muskelschnitte in der Muskelschicht der Stümpfe können zum Gewinn einiger Zentimeter führen.

Bei der Foker-Methode werden die Stümpfe mit Hilfe intern oder extern angesetzter Fäden über einen gewissen Zeitraum gedehnt.

Es kann ein Ersatz der Speiseröhre erfolgen. Dazu kann ein Magenhochzug oder eine Interposition von Dick- oder Dünndarm durchgeführt werden.

Zur Behandlung einer Long-Gap-Ösophagusatresie muss der Kinderchirurg die verschiedenen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten verstehen und die dem einzelnen Fall angemessene Technik anwenden können. Das Vorgehen bei Kindern mit langstreckiger Atresie ist nicht einheitlich geregelt, sodass heute verschiedene Konzepte zur Anwendung kommen. 

Für alle Verfahren gilt: 

  • Langfristig muss eine normale Ernährung gesichert sein;
  • Ein etwaiger Speiseröhrenersatz muss mit dem Patienten mitwachsen und langfristig möglichst seine Form behalten;
  • Ein Zurückfließen von Mageninhalt (gastroösophagealer Reflux) sollte durch das Operationsverfahren minimiert bzw. toleriert werden;
  • Beeinträchtigungen der Lungen- und Herzfunktion sowie kosmetische Beeinträchtigungen sollten minimiert werden;
  • Ersatzverfahren sollten auch bei kleinen Kindern möglichst technisch einfach durchführbar sein. 

Um die Begleitschäden am Gewebe während der Operation zu begrenzen, haben sich Kinderchirurgen minimal-invasive Techniken sogar für höchst-komplexe Bedingungen angeeignet.

Prinzipiell werden heute aber alle genannten OP-Schritte offen oder thorakoskopisch durchgeführt. Ob eine Methode der anderen dabei überlegen ist, ist zum momentanen Zeitpunkt noch nicht bewiesen. 

Atemwegsbeschwerden

Eine hohe Anzahl von Menschen mit einer korrigierten Ösophagus-Atresie leidet im späteren Leben unter Symptomen eine Einschränkung der Atmung. Etwa vier von fünf Betroffenen haben eine geringere Lungenfunktion als sie ihrem Alter entspricht.

Dabei überwiegen die Symptome, die für eine periphere Verengung der Atemwege sprechen, so wie sie auch bei einem Asthma vorkommt. Asthma-ähnliche Symptome wie Keuchen, Attacken von Atemlosigkeit und langandauernder Husten treten häufig auf. Deshalb wird auch fälschlicherweise vielfach Asthma diagnostiziert. Das bedeutet aber nicht, dass ein Mensch mit einer korrigierten Ösophagus-Atresie nicht auch einmal ein allergisches Asthma entwickeln kann.

Die Gründe für die Einschränkung der Atmung sind multifaktoriell und können sich gegenseitig verstärken.

Atemwegsbeschwerden

Tracheo- und Bronchomalazie gehen eventuell mit anatomischen Veränderungen der Atemwege einher.

Eine veränderte Schleimhaut der Atemwege kann zum einen eine Neigung zu einer gesteigerten Reaktion der Schleimhaut auf äußere Einflussfaktoren führen. Zum anderen können die natürlichen Reinigungsmechanismen der Schleimhaut gestört sein.

Ein Defekt am Vagus-Nerv kann angeboren sein oder auch bei der Korrektur der Ösophagus-Atresie durch die Operation entstehen.

Besonders andauernder gastro-ösophagealer Reflux kann vielfältige Schädigungen der Atemwege nach sich ziehen:

  • Kehlkopfentzündung
  • Veränderungen oder Geschwüre an den Stimmbändern
  • Heiserkeit
  • Wegbleiben der Stimme
  • Geschwüre
  • Chronische Rachenentzündung
  • Globusgefühl
  • Kehlkopfkrämpfe
  • Chronischen Husten
  • Asthma bronchiale
  • Chronisch-einengende Lungenerkrankung
  • Eine Verengung der Luftröhre
  • Verschärfung der Tracheomalazie
  • Aussackungen der Atemwege (Bronchiektasen)
  • Rezidivierende Lungenentzündungen
  • Bindegewebsartigen Umbau des Lungengewebes

Veränderungen des Thorax können den Raum für die Lungen und die Atemwege einschränken oder so verändern, dass die natürlichen Reinigungsmechanismen eingeschränkt werden.

Deshalb gehört zu einer umfassenden Nachsorge auch die Untersuchung der Lungenfunktion, die einen Multiple-Breath Lung Wash-out (MBW) beinhalten sollte.

Bolus-Impaktation („Steckenbleiber“)

Bei ÖA-Betroffenen  kommt es manchmal vor, dass Nahrung in der Speiseröhre steckenbleibt. Dieses Problem ist so verbreitet, dass es als „Steckenbleiber“ bekannt ist.

Ursachen

1. Eine in ihrer Beweglichkeit eingeschränkte Speiseröhre (Dysmotilität)

2. Vernarbtes Gewebe, zum Teil mit Taschenbildung, an der Operationsnaht

3. Engstellen (Stenosen)

 

 

Symptome
  • das Gefühl, etwas steckt fest
  • die Unfähigkeit, Flüssigkeiten/Speichel zu schlucken
  • ein unkontrollierter Speichelfluss
  • Keuchende, pfeifende Atmung

 

Behandlung
  • Der Nahrungsbolus löst sich möglicherweise nach einiger Zeit von selbst auf. Auch kohlensäurehaltige Getränke können helfen
  • Bei heftigen Beschwerden, die mehr als eine Stunde andauern, sollte immer ein Arzt aufgesucht werden
  • In einigen Fällen muss der „Steckenbleiber“ im Krankenhaus endoskopisch entfernt werden
  • Tritt das Problem häufiger auf, sollte untersucht werden, ob die Speiseröhre Verengungen aufweist (z.B. Kontrastmitteluntersuchung und/oder Spiegelung der Speiseröhre)

Dumping-Syndrom

Unter dem Dumping-Syndrom versteht man eine sogenannte Sturzentleerung flüssiger und fester Nahrung vom Magen in den Dünndarm mit ihren Folgen. In der Regel wird das Dumping-Syndrom mit Menschen in Verbindung gebracht, die sich einer Magenbypass-Operation oder einer Magenverkleinerung unterzogen haben. Eingriffe am Magen, die sein Volumen verringern (z.B. eine Fundoplikatio), können eine schnellere und sturzartige Entleerung des Magens zur Folge haben. Hierbei wandert Nahrung so schnell durch den Magen in den Dünndarm, dass sie nicht ordentlich verdaut werden kann. Die teilweise unverdaute Nahrung wird dann vom Zwölffingerdarm zügig absorbiert, es wird eine große Menge Flüssigkeit an den Darm abgegeben und die Darmkontraktionen verstärken sich.

Ursachen
  • Eingriffe, die das Magenvolumen verringern
  • Eingriffe, die den Magenausgangsmuskel (Pylorus) beeinträchtigen
  • Nahrungsaufnahme in zu großer Menge
  • Aufnahme sehr hochkalorischer Nahrung

 

Symptome

Man unterscheidet in zeitlicher Abhängigkeit vom Auftreten eines Dumping-Syndroms zur Nahrungsaufnahme ein Frühdumping und ein Spätdumping.

 

Frühdumping (Symptome setzen bereits während der Mahlzeit oder unmittelbar danach ein):
  • Plötzlicher und teilweise unkontrollierter Durchfall (einige Betroffene scheuen physische und soziale Aktivitäten, um ständig in der Nähe einer Toilette bleiben zu können)
  • Übelkeit
  • Magenkrämpfe
  • beschleunigter Herzschlag
  • Übelkeit
  • Schwitzen
  • Gefühl der Lethargie
  • Mundtrockenheit

 Frühdumping kann starken Gewichtsverlust, Anämie und Mangelernährung verursachen.

 

Spätdumping (zwei bis drei Stunden nach der Mahlzeit):
  • Plötzlicher Abfall der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit
  • Schläfrigkeit
  • schwere Atmung
  • beschleunigter Herzschlag
  • Zittrigkeit
  • ein dringendes Bedürfnis zu essen
  • Beeinträchtigung der Sicht
  • unklare Aussprache
  • geistige Verwirrung

Viele dieser Symptome sind Folgen des niedrigen Blutzuckerspiegels, der bei spätem Dumping auftreten kann.

Behandlung
  • Anpassung der Lebensführung

Ein Ernährungsberater kann helfen, das Essverhalten so anzupassen, dass Symptome so weit wie möglich reduziert werden. Es wird empfohlen, häufig kleinere Mahlzeiten zu essen und Einfachzucker, Milch und Milchproteine zu meiden. Hilfreich kann es außerdem sein, weniger Kohlenhydrate und stattdessen mehr Proteine und Fette zu sich zu nehmen.

  • Medikamente

Acarbose (eigentlich ein Medikament zur Behandlung von Zuckerkrankheit) beeinflusst die Aufnahme von Kohlenhydraten und kann Personen mit Spätdumping helfen. Kurzfristig kann auch Octreotid (ein Somatostatinanalogon) nützlich sein. Verdauungsenzyme (Pancreatin) können bei der Fettverdauung hilfreich sein.

  • Regelmäßige Kontrollen der Stuhl- und Blutwerte

Wir empfehlen allen Betroffenen, wegen der veränderten Aufnahme von Nahrungsbestandteilen (Fette, Mineralstoffe, Vitamine, usw.) auf Grund der besonderen Verdauungssituation durch Dumping bzw. der Dauereinnahme von Säureblockern, regelmäßig Blut- und Stuhlwerte zu kontrollieren.

Dysphagie und Dysmotilität

Verdauungs- und Ernährungsprobleme treten häufig im Zusammenhang mit Ösophagusatresie auf.

Denn Ösophagusatresie ist nicht nur ein chirurgisches Problem des Neugeborenen, sondern hat lebenslange Konsequenzen für Erkrankungen im Zusammenhang mit der Verdauung und der Ernährung.

Dysmotilität ist eine eingeschränkte Bewegungsfähigkeit der Speiseröhre. Sie ist nicht nur eine Folge der chirurgischen Korrektur, da eine unnormale Versorgung der Speiseröhre mit Nervenfasern (nervliche Innervation) schon bei Geburt vorliegt.

Dysmotilität ist ein wesentlicher Grund für Schwierigkeiten beim Schlucken (Dysphagie). Außerdem erhöht eine Dysmotilität das Risiko für eine GERD. Eine GERD wiederum erhöht das Risiko für eine Ösophagitis, für die Ausbildung von Engstellen (Strikturen oder Stenosen) und Aspiration.

Ösophagitis, GERD, eosinophile Ösophagitis, Strikturen im Bereich der Anastomose, eine Verengung (Obstruktion) am unteren Ende der Speiseröhre, Tendenz zur Aspiration und die Furcht vor der Nahrungsaufnahme sind zusätzliche Gründe für eine Dysphagie und verstärken diese.

Dysphagie und Dysmotilität

Ein Grund für eine funktionelle Verengung des unteren Endes der Speiseröhre kann eine Fundoplicatio sein. Sie kann somit ebenso eine bereits bestehende Dysphagie verschärfen.

Das Vorliegen einer Dysphagie fördert „Steckenbleiber“ (Bolus-Impaktationen). Bolus-Impaktationen in der Vorgeschichte führen bei zahlreichen Ösophagusatresie-Patienten zu Furcht vor dem Essen oder der Textur bestimmter Speisen.

Die Diagnostik und die Behandlung einer Dysphagie sind interdisziplinäre Aufgaben.

Eosinophile Ösophagitis

Die eosinophile Ösophagitis ist eine immunvermittelte, chronisch-entzündliche Erkrankung der Speiseröhre.

Die Symptome sind ähnlich dem gastro-ösophagealen Reflux:

  • Schmerzen hinter dem Brustbein,
  • Schluckbeschwerden oder auch Schmerzen beim Schlucken,
  • Sodbrennen,
  • Bolusimpaktation („Steckenbleiber“).

Diese Symptome erfahren durch eine medikamentöse Therapie mit H2-Blockern und Protoneninhibitoren nur eine teilweise bzw. gar keine Besserung. Zusätzlich können Verdauungsbeschwerden (Blähungen, Schmerzen nach dem Essen, etc.) auftreten. Als Langzeitfolge können sich Stenosen entwickeln.

Die Diagnose erfolgt indem während einer Ösophago-Gastro-Duodenoskopie zahlreiche Proben (Biopsien) entnommen werden. Diese Biopsien werden histologisch untersucht und weisen in den Zellen eingewanderte eosinophile Granulozyten (eine bestimmte Art von weißen Blutkörperchen) auf. Diese Granulozyten finden sich dann auch in den Proben im gesamten Ösophagus.

Trotzdem ist die Diagnose schwierig. Deshalb werden häufig Behandlungsversuche mit PPIs durchgeführt. Schlagen diese fehl, spricht das zusätzlich für eine eosinophile Ösophagitis. Außerdem müssen andere Gründe für das Vorhandensein eosinophiler Granulozyten in den Gewebsproben (Wurminfektionen, Gewebsneubildungen, andere allergische Reaktionen und entzündliche Erkrankungen des Verdauungstrakts) ausgeschlossen werden.

Die eosinophile Ösophagitis wird durch Allergene getriggert. Die Behandlung besteht deshalb auch aus einer Kombination von Allergenkarenz und Kortikosteroiden.

Auch nach einer erfolgreichen Behandlung kann eine eosinophile Ösophagitis immer wieder auftreten.

 

Die gastro-ösophageale Reflux-Erkrankung (GÖR oder GERD)

Die gastro-ösophageale Reflux-Erkrankung ist eine chronische Erkrankung. Sie wird vom Rückfluss von in der Regel saurem Mageninhalt in die Speiseröhre verursacht. Hierbei ist der untere Schließmuskel des Ösophagus (Cardia) teilweise oder völlig unfähig zu schließen und das Rücklaufen von Mageninhalt zu verhindern. Diese Unfähigkeit nennt man Cardia-Insuffizienz.

Das permanente Rücklaufen von saurem Mageninhalt reizt die Schleimhaut der Speiseröhre und kann deren Entzündung verursachen. Diese Entzündung kann mit der Zeit die Schleimhaut der Speiseröhre zerstören und Komplikationen wie Geschwüre, die Verengung der Speiseröhre (Stenose) oder einen Barrett-Ösophagus verursachen. Geschwüre können zu Blutungen führen. Geschwüre und Stenosen verursachen Beschwerden beim Schlucken von Nahrung. Ein Barrett-Ösophagus ist eine Veränderung der Schleimhaut der Speiseröhre. Sie hat ein erhöhtes Risiko zur Ausbildung eines Ösophagus-Karzinoms.

Symptome für eine GERD sind:
  • Ein brennendes Schmerzgefühl (Sodbrennen), das sich bis in Höhe der Kehle ausbreiten kann, in Verbindung mit einem sauren Geschmack im Mund
  • Schmerzen in der Brust
  • Schwierigkeiten beim Schlucken (Dysphagie)
  • Trockener Husten
  • Heiserkeit oder eine wunde Kehle
  • Aufstoßen von Nahrung oder saurer Flüssigkeit
  • „Kloßgefühl“ im Hals

Tritt eines dieser Symptome häufiger als zweimal pro Woche oder länger als zwei Wochen bei Ihnen auf, sollten Sie einen Arzt aufsuchen.

 

Das Risiko für eine GERD kann erhöht werden durch:
  • Übergewicht
  • Verlagerung des oberen Teils des Magens über das Zwerchfell (bei Zwerchfellhernie, aber auch nach einem Magenhochzug)
  • Schwangerschaft
  • Rauchen
  • Asthma
  • Diabetes
  • Verzögerte Magenentleerung
  • Erkrankungen, die auch die Gewebe der Speiseröhre befallen (z.B. Sklerodermie)

Der gastro-ösophageale Reflux tritt gerade auch nach operierter Ösophagusatresie und tracheo-ösophagealer Fistel auf.

Die Behandlung besteht immer auch aus Verhaltensmaßnahmen, die evtl. durch Medikamente ergänzt werden.

  • Reduzieren Sie bei bestehendem Übergewicht Ihr Gewicht.
  • Vermeiden Sie Kleidung, die an Hüfte und Bauch sehr eng anliegt bzw. einschnürt.
  • Vermeiden Sie die Lebensmittel, die bei Ihnen Sodbrennen auslösen oder verstärken. Das sind normalerweise fettige und fritierte Lebensmittel, Alkohol, Schokolade, Tomatensauce, Lebensmittel mit ätherischem Minzöl, Knoblauch, Zwiebeln und Kaffee.
  • Essen Sie mehrere kleine Mahlzeiten anstatt weniger oft grössere Mengen.
  • Legen Sie sich nach den Mahlzeiten nicht hin und halten Sie einen Abstand von mindestens drei Stunden zwischen der letzten Mahlzeit und dem Zu-Bett-Gehen ein.
  • Erhöhen Sie das Kopfende Ihres Bettes. Es ist notwendig hierbei das komplette Kopfende durch z.B. Unterstützung des Bettrahmens am Kopfende zu erhöhen. Dadurch ergibt die gesamte Liegefläche eine schiefe Ebene. Eine Erhöhung mit einem klappbaren Rost oder zusätzliche Kissen sind nicht ausreichend.
  • Rauchen Sie keinen Tabak.

Es gibt verschiedene Arten von Medikamenten.

  • Antazida neutralisieren den sauren Mageninhalt.
  • H2-Rezeptor-Blocker verringern die Säureproduktion im Magen.
  • Protonen-Pumpen-Inhibitoren blockieren die Säureproduktion.

Alle Medikamente haben auch Nebenwirkungen und sollten nicht ohne Absprache mit einem Arzt eingenommen werden. Ein Teil der Medikamente ist auch nur nach Verschreibung durch einen Arzt erhältlich.

Wenn eine medikamentöse Therapie nicht ausreichend ist gibt es Operationstechniken, die helfen können.

  • Fundoplicatio: Hierbei wird aus dem oberen Teil des Magens eine Manschette gebildet, die teilweise oder ganz um den Mageneingang gelegt wird, um diesen anatomisch zu verstärken.
  • LINX: Um die Verbindung von Speiseröhre und Magen wird ein beweglicher Ring aus magnetischem Titan gelegt. Nahrung kann abwärts passieren, aber der Reflux von Mageninhalt in die Speiseröhre wird verringert.

Beide Operationstechniken können bei Vorliegen der richtigen Voraussetzungen auch minimal-invasiv durchgeführt werden. Beide Techniken sind aber nicht für jeden Patienten geeignet.

Ergänzend zur Therapie einer GERD können alternative Heilmethoden angewandt werden.

Pflanzliche Heilmittel:

Süßholz, Rot-Ulme (Ulmus rubra oder fulva), Kamille, Arznei Eibisch (Althaea officinalis) und andere Pflanzen werden manchmal unterstützend bei der Therapie eingesetzt. Sie sollten immer auch nur in Absprache mit einem erfahrenen Arzt angewandt werden.

Entspannungstechniken helfen mit Stress oder Ängsten umzugehen. Sie können die Symptome einer GERD zusätzlich reduzieren.

Akupunktur scheint manchmal einen positiven Effekt auf eine GERD zu haben.

Eine von einer jungen Betroffenen erstellte Broschüre mit den wichtigsten Infos zum Thema Reflux finden Sie hier.

Unter dem folgenden Link gibt es ein Online-Tool, das es erlaubt eine Einschätzung des Risikos an einer GERD zu leiden vorzunehmen: www.soapnote.org/digestive-system/gerdq/

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